Corona spricht: Fürchte dich!

Noch nie hatte ich eine Überschrift fertig, bevor ich meinen Text geschrieben hatte. Aber diesmal bewegte mich die Überschrift die ganze Woche schon. Als mehr und mehr die Geschäfte, Treffpunkte und all das soziale Leben um mich herum schloss und mich mehr und mehr betraf, knallte der obige Satz immer heftiger an die Tore meines Herzens.

Ich reagierte zuerst mit Verweigerung. Ich nahm diese neue Situation einfach mal nicht an. Corona ist irgendwo, aber es ist nicht so schlimm wie alle sagen. Jeder vernünftige Gedanke darüber, wurde an Seite gedrängt und ich weigerte mich, diese neue Situation anzunehmen. Das ist leider eine antrainierte Gewohnheit, mit schweren Dingen im Leben klar zu kommen. Klappt auch immer eine Zeitlang- bis es mich dann irgendwann einholt und zu Boden drückt.
Und dann lieg ich da, erdrückt von der Furcht! Je länger die Woche andauerte, um so bedrohlicher wurde die Furcht! Ich konnte nicht dagegen ankommen. Sie hatte mein ganzes Herz ergriffen. Ich ertappte mich, dass ich wie wild in Facebook nach Antworten suchte, nach Informationen, nach Wegweisung. Ich fand … noch mehr Furcht und ganz viel anderes. Hilfsangebote, blöde Kommentare, Hass, Unsinn und niederschmetternde Nachrichten. Abends lag ich da wie ein Häufchen Elend und Tränen untermalten meine Versuche, mich selbst zu retten. Ich war wie gelähmt- unfähig auch nur eine Zeile zu schreiben oder Chancen in dem Chaos zu sehen. Ich war selbst zum Helfen zu machtlos- bekam nur kläglich hin was getan werden musste. Das habe ich schon lange nicht mehr erlebt.
Mein Mann schaute mich eines Abends an und sagte: „Du hast doch schon so viel mit Gott erlebt. Warum hast du jetzt so Angst.“ Ich konnte es nicht sagen. Die größte Furcht lag vielleicht einfach in dieser Unberechenbarkeit der Situation. Würde alles gut? Würde ich meine Freunde und meine Familie (die nicht in diesem Haushalt lebten) wieder in den Arm nehmen? Wann wäre dieser Spuk, diese Einschränkung, dieses „Nicht weiter wissen“ vorbei.

Ich versuchte, mich zu beruhigen, aber die Furcht blieb.
Jetzt habe ich das Glück, dass ich die Menschen, mit denen man mich in die Isoliertheit gepackt hat, wirklich mag. Ich bin gerne mit meiner Familie zusammen und auch der Unterricht, den ich mit meinem 7 Jährigen habe, macht tatsächlich Spass! Mal mehr und mal weniger. Aber wenn es mal nicht so klappt, dann wird halt mehr gespielt als gelernt. Er wird das Lesen nicht von einem auf den anderen Tag verlernen!
Hier wo ich bin, fühle ich mich geborgen. Hier bin ich geliebt und getragen.
Auch muss ich mich nicht mit der Angst herumschlagen, in kurzer Zeit ohne Job da zu stehen oder nicht zu wissen wo ich das Geld für die nächste Miete herbekomme. All das waren und sind nicht meine Sorgen. Und das ist ein Geschenk.

Aber was mich lähmte, war zu sehen, für wieviele Menschen in meinem Umfeld das nicht gilt. Ich habe Freunde im Veranstaltungsbereich, in Hotels, im Einzelhandel. Die Unfähigkeit, so wenig helfen zu können, war und ist furchtbar. Meine Freunde, die als Musiker ihr Geld verdienen und die nun ohne Einkommen da stehen – ein weiterer Punkt zum verzweifeln. Ich weiss, dass es für manche Familien eine große Herausforderung ist, ihre Kinder zu betreuen aber irgendwie auch arbeiten gehen zu müssen und bei all dem bitte nicht völlig wahnsinnig zu werden.
Und manche Jugendlichen sind ja schon zu normalen Zeiten nicht gerne zu Hause. Wir kümmern uns ja nicht grundlos im offenen Jugendtreff um Möglichkeiten, jungen Menschen einen Treffpunkt ausserhalb ihres „Zuhauses“ zu bieten. Situationen sind manchmal echt schwierig und lassen sich nicht einfach mit „Schimpfen auf Corona Parties“ entfernen. Da ist das eigene Leid zu Hause halt näher und schlimmer als die weltweite Corona Krise. Für viele undenkbar, für andere bittere Realität.

Einer liess sich in den letzten Wochen nicht einsperren: Der Frühling! Und er lachte mir jeden Morgen zu und ich nahm die Einladung an: Täglich nahm ich mir die Zeit eine Runde joggen zu gehen. Ich genoss die Einsamkeit verlassener Wege, die Stille des Walds, das einfache Laufen.
Ich brauche keine Laufgruppen – das muss mir keiner auferlegen. Ich laufe gerne allein. Hier kann ich nachdenken und Mark Forster untermalt meine Schritte- und nur ihn „brauche“ ich bei meinem Lauf. Das ist für mich Freiheit, die ich mir erhalte und die ich nun mehr habe als je zuvor.

Wenn ich am Ende meiner „Laufrunde“ angelangt bin, liegt immer ein sehr steiler Berg vor mir. Am Ende meiner Kräfte ist dieses letzte Stück immer besonders herausfordernd. Ich schaffe es nur, wenn ich nicht nach vorne schaue, wenn ich nicht weit bis zum Ende des Weges blicke. Wenn ich auf den Asphalt vor mir schaue, dann bleib ich am Laufen. Wenn ich nach vorne blicke, verlässt mich alle Kraft und ich gehe den Rest des Weges mit langsamen Schritten und gebe auf. Dabei bin ich vorher schon etliche Kilometer gelaufen. Aber bei dem Berg, der dann vor mir ist, interessiert es meinen Körper reichlich wenig was ich schon geschafft habe. Der Berg ist lang und bedrohlich und er raunt mir zu: DAS schaffst du nicht mehr. Dafür reicht die Kraft nicht. Das ist zu weit, zu schwer.

So wie die Furcht das die ganze Woche getan hat: Du schaffst das alles nicht. Sieh den Berg. Egal was hinter dir liegt. Sieh dir an. Es ist zu groß und zu mächtig!

Heute kam mir ein Vers der Bibel in den Sinn:
Sorgt euch also nicht um das, was morgen sein wird! Denn der Tag morgen wird für sich selbst sorgen. Die Plagen von heute sind für heute genug! (Matthäus 6,34)

Wenn ich in die Ungewissheit weit vor mich sehe, kann ich verzweifeln und alle Kraft einbüßen – konzentriere ich mich aber auf diesen Moment, schaffe ich den nächsten Schritt.
Das Morgen kann ich eh nicht bestimmen, aber den Schritt, der vor mir liegt, den schaffe ich auch dann, wenn nicht mehr viel Kraft in mir steckt.

Ich möchte als Christ etwas von dem weitergeben, was ich mit Gott erlebe und was ich von ihm gelernt habe. Nur durch ihn bin ich, wo ich heute stehe. Diese Woche hat mich gelehrt, dass ich mich nicht auf das verlassen kann, was ich gestern mit Gott erlebt habe, sondern dass mein Herz auch heute erfahren muss, dass Gott tatsächlich noch die Kontrolle hat und er vertrauenswürdig und gut ist. Nicht nur in meinem Leben sondern auch in dem Leben der Menschen um mich herum. Egal was gerade vor ihnen liegt!
Die vergangene Woche – und es war eine harte Woche- hat mir ebenfalls gezeigt, wie sehr die Worte der Bibel wirklich mein Herz berühren. Dass es hilft, mal Nachrichten und Facebook Beiträge zu fasten (ich wünschte DAS wäre einfach) und sich mehr damit auseinander zu setzen, was dem Herzen gut tut. Ein Gebet, eine Predigt, gute Gespräche und Zeit als Familie, Spielen mit den Kindern, ein Anruf, eine ermutigende SMS, Nachfragen bei Freunden wie es gerade geht, ehrlich sein mit dem was einen selber bewegt und aussprechen was man gerade braucht – auch im engen Kreis der Familie. Zusammensein so die ganze Zeit hat seine Herausforderungen – für jeden in der Familie. Reden hilft – hab ich mal gehört 😉

Es wird eine Zeit nach Corona geben und unsere Gesellschaft wird dann eine andere sein. Vielleicht ein bisschen geheilter, warmherziger – vielleicht! Aber bis dahin gilt es, dass unsere Herzen nicht an der Furcht verkümmern. Vielleicht gilt das gerade besonders für die Menschen, die zu viel mitfühlen, die zu viel lieben, die eine offene Gesellschaft mögen, die andere gerne in die Arme nehmen und Gemeinschaft besser Face to Face leben können als beim Live Stream vor dem PC.
Ich bin froh einen gnädigen und mächtigen Gott zu kennen, der dann, wenn wir zu ihm kommen, einen Arm und einen weiteren Arm um uns legt und uns all das gibt, was wir gerade so schmerzlich vermissen: Freiheit, Nähe, Sicherheit und Hoffnung. Auf jeden Fall Hoffnung!

In diesem Sinne:
Gott spricht: Fürchte dich nicht! (Jesaja 43,1)

Ich muss das buchstabieren für mich, für meinen Alltag, für die Haltung in der Gesellschaft! Jeden Tag mehr! Das wünsche ich dir auch! Verlier nicht den Halt! Und wenn du reden willst, meld dich…