Mit Enttäuschungen umgehen

Hier kommt der Artikel, den ich für Burningheartsreport geschrieben habe: https://burningheartreports.blogspot.com/2020/10/thema-des-monats-mit-enttauschungen.html?m=1&fbclid=IwAR1TdcC4Ird5cTAhrZNwK98KZ7K0BbcfPRuza7ZTc3DJ-6U81ySoynFbcvg

Meine Freundin meinte letztens: „Wenn ich den Führerschein mache, werde ich dir erst davon erzählen, wenn ich ihn geschafft habe.“ Ich bin irritiert: „Warum?“
„Naja,“ meint sie, „ vielleicht schaffe ich es nicht und dann bist du enttäuscht von mir.“
Ich schaue sie an: „Und du möchtest nicht enttäuschen, richtig?“ Ist meine Schlussfolgerung. „Genau,“ beschliesst sie das kurze Gespräch,“ ich möchte niemanden enttäuschen.“

Das kenne ich. Auch ich habe hohe Erwartungen an mich selber und möchte dieses Ideal aufrecht erhalten. Ich stelle mich gerne in gutem Licht da, kehre eher nach Aussen was ok und liebenswürdig ist, will ablenken von dem Dunklen und dem „Nicht-Können“, „nichts fertig-bringen“, „zu hoch stapeln“ und „alles-schaffen-wollen“.
Will ablenken von meiner Müdigkeit, meiner Menschenfurcht, meiner niedrigen Frustrationsgrenze, meinen Ängsten und gut behüteten und gesellschaftsfähigen Traumata. 

Ich will gerne, dass die Menschen um mich herum gut finden was ich tue. Deshalb erzähl ich lieber selten mehr von den Dingen, die ich schaffen will. Denn dann kommt ja vielleicht bald raus, dass es mir schwer fällt, mich auf Dinge zu konzentrieren, oder dass ich mehr davon spreche etwas zu tun als es wirklich anzupacken. Und wenn die Menschen dann mein wahres ICH sehen, werden sie ihr Urteil über mich sprechen. Oder sie werden einfach total enttäuscht sein. Ich weiss gerade nicht was schwieriger auszuhalten ist.

ENT – TÄUSCHEN ist aber eigentlich gar nicht so negativ

Das Wort vor dem wir uns doch oft panisch fürchten, ist eigentlich ein gewinnbringendes Wort:
Heisst es ja soviel wie: Raus aus der Täuschung.
Es bedeutet, dass ich lange einer Täuschung erlegen war, dass ich länger mehr erwartet habe als da war. Dann plötzlich kommt das AHA – Erlebnis und ich muss nicht weiter in einer Täuschung leben. Meine Erwartungen, an denen ich so lange festgehalten habe, sind nicht die Realität.
Und auch wenn Enttäuschung uns befreien sollte. Man erlebt es eher so:
Bäääms! Die Blase ist zerplatzt. Wir sind zurück auf dem Boden der Tatsache gefährlich hart aufgekommen. Der andere ist nicht so gut wie ich dachte, nicht so perfekt, nicht so gütig, nicht so liebevoll und nicht und niemals mehr vertrauenswürdig.
Das kann erstmal ein emotionaler großer Crash sein. Es fühlt sich nach Verlust an. Es ist wie ein bitteres Erwachen, das nicht erbeten wurde. Damit muss ich klar kommen und leben. Das muss ich mit einbeziehen in mein Leben und meine Beziehung. Ich muss mich von einer perfekten Welt verabschieden.

Enttäuschungen sind schmerzvoll. Sie zeigen mir, der andere stirbt gerade an meinen Erwartungen. Er ist nicht das, was ich in ihm sehen wollte, er ist menschlicher als ich vertragen kann, er ist nicht nach meinem Bild geformt.

Da habe ich an die wahre Liebe geglaubt und plötzlich nach Jahren festgestellt, dass ich da wohl mehr geglaubt habe als der andere. Da war ich loyal und ehrlich und ernte stattdessen plötzlich Lüge und Hinterrücksgeschwätz. Wenn ich von jemandem enttäuscht bin, rückt das mein Bild von ihm wieder zurecht. Es stirbt aber auch ein Wunschbild. Und ich muss mich damit auseinander setzen. Manchmal lebe ich ganz gerne in einer von mir selbst zusammengebastelten Traumwelt.

Ich bin ein zutiefst emotionaler Mensch.
Ich erleide Enttäuschungen erst einmal mit aller dazugehörigen Dramatik und ziehe mich dann gerne in mich zurück. Das ist mein persönlicher Trauerprozess, der gerade bei Enttäuschungen von Menschen, die mir sehr viel bedeuten, für mich dazu gehört. In diesem Prozess zerdenke ich erst einmal alles: Warum waren meine Erwartungen so hoch? Wie konnte ich mich so täuschen? Der emotionale Schmerz, der das Herz zerfressen will und der mich bitter machen möchte, ist der größte Feind in all dem. Denn, wenn ich nach Enttäuschungen nicht wieder bereit bin zu lieben, wenn ich mich nicht mehr verletzlich zeigen will, nicht mehr auf andere Menschen bauen will, dann verliere ich ein Stück vom Zauber des Lebens.
Und doch dauert es oft lange bis Vertrauen wieder heilt, bis Menschen wieder nah an mich ran dürfen-  gerade die, die soeben enttäuscht haben.
Tatsächlich  hilft es mir, bei all dem Umgang mit Enttäuschungen meinen Blick auf Jesus zu richten, weil er mir in all dem Wirrwarr von Enttäuschungen erstmal wieder Friede schenken kann. 

Etwas was ich durch Enttäuschung leider auch schnell verliere.
Der Frieden kippt, wenn ich dumpf auf dem Boden der Tatsachen angekommen bin, es rüttelt an meiner Vorstellung vom Leben, meinen Erwartungen an den anderen und meinem Vertrauen. Wie begegne ich dem anderen nach all dem? Wie gehe ich in Zukunft mit ihm um? Was kann ich noch glauben?
Das macht mich unruhig und zwingt mich zum Dauerfunktionieren, es scheint mir Leichtigkeit und Freude zu nehmen. Und es klaut den Frieden, den ich sonst mit dieser Welt habe.
Jesus hat mir mal gesagt: Meinen Frieden gebe ich euch! (Joh. 14,27-die Bibel). Darauf stelle ich mich, das will ich. Das sag ich Jesus. Ohne diesen Frieden mach ich nicht weiter!

Denn bei all den Dingen, die ich in Beziehungen kläre, bei all dem was menschlicher ist als ich es möchte, bei all den Enttäuschungen, die einen großen Kraftakt fordern, tut es gut bei Jesus auszuruhen. Ihm sagen zu können:
„Hier! Deine Welt! Hilf mir an den richtigen Stellen wieder Vertrauen aufzubauen. Gib mir gute Freundschaften, hilf mir Erwartungen an andere nicht so immens hoch zu hängen. Lass mich über all dies nicht bitter werden.“

Und vielleicht lehrt es mich auch, dass ich Beziehungen so mit gestalte, dass die hohen Erwartungen aneinander NICHT Maß aller Dinge sind.
Und vielleicht werden dann Enttäuschungen seltener und nicht mehr so dramatisch, weil ich lerne mich nicht mehr so schnell auf Täuschungen einzulassen. Und den anderen auch in seiner Unvollkommenheit und Schwäche stehen lassen zu können. Und ihn trotzdem von Herzen zu mögen!

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