Spuren, die wir hinterlassen

Ich war heute mit dem Auto in der Waschanlage und es war bitter nötig. Nach drei Wochen Schuleinsatz und dem darauf folgenden Urlaub schrie mein Fahrzeug mich förmlich an: Bitte, take care! Vergiss mich nicht.
Also bin ich gnädig und fahre durch die Waschanlage, halte einen kurzen Plausch mit den freundlichen Herren, die in der Waschanlage immer rauchen und dabei mein Auto schrubben. Ich kann ja echt viele Sachen gleichzeitig – aber das übersteigt selbst meine weibliche Kompetenz.
Ich grinse in mich hinein und lasse mich dann samt Fahrzeug durch die Anlage schieben. Am Ende sieht mein Auto wieder schön aus und der meiste Dreck ist runter.
Ich liebe diese Momente immer und gönne dem Auto dann noch eine kurze Innenreinigung. Also ich sauge kurz, meine ich damit.

Als ich so vor dem Gefährt stehe, bewaffnet mit dem surrenden Staubsaugerschlauch fällt mein Blick auf die Kratzer, die mein letzter Crash hinterlassen hat. Da wo ich mein Fahrzeug vor einigen Wochen in dieses Metallgartentor einer alten Dame rollen liess, weil ich die Handbremse nicht angezogen hatte.
Ich dachte, dass es nach der Reinigung vielleicht nicht mehr so derb und häßlich aussehen würde. Doch selbst all die Mühe der rauchenden Waschanlagenbetreiber konnten nicht komplett entfernen, was offensichtlich war. Das Ergebnis meines Fehlverhaltens.
Und während ich so lustlos vor mich hinsauge, hänge ich meinen Gedanken nach. Mein Fehler und meine Vergesslichkeit haben Spuren am Auto hinterlassen und ich werde mich noch länger daran erfreuen müssen. Und auch wenn ich weiss, dass es nur ein Auto ist und ich dankbar bin, dass keiner zu Schaden gekommen ist, schmerzt es ein wenig.

Es lässt mich darüber nachdenken, dass meine Fehler im Leben sichtbare, schmerzende Spuren hinterlassen – und das nicht nur auf dem Lack eines Fahrzeuges.
Da wo ich verpasse, Gespräche zu suchen, da wo ich laut werde und ungerecht bin, da wo ich falsch plane und lieblos bin, all das hinterlässt Spuren in dieser Welt. Offensichtliche Kratzer an Beziehungen, Türen, die zu gehen, enttäuschte Menschen und verpasste Träume. Und ich fahre weiter mit offensichtlichen Macken und Verletzungen an mir und dieser Welt. Und sie zeigen sich häßlich und machtvoll und erinnern mich immer wieder und wieder: Das hast du nicht geschafft. DU hast es nicht gut gemacht. Versuch es gar nicht erst wieder. Trau dich nicht noch einmal. Sieh dir das Desaster an und dann sieh, was du hinterlässt. Und es fährt mit mir – jeden verdammten Kilometer.

Manchmal sage ich Gott: Lass mich nicht nur sehen, was mein Fehlverhalten anrichtet. Lass mich sehen, wo du durch mich diese Welt umarmst, wo du durch mich aufrichtest. Gib mir einen wertschätzenden Blick für meine kläglichen Versuche, diese Welt zu lieben.

Und dann sind die Kratzer, die ich verursacht habe auch eine Erinnerung daran, dass ich nicht perfekt durch diese Welt stapfe, dass ich wie jeder andere Mensch an mir und meiner Welt arbeiten muss. Dass nicht alles gut sein muss um wertvoll zu sein. Und dass ich in dieser Welt und darüber hinaus einen Retter habe, der mich zuerst geliebt hat. Der größer ist als ich selber, der wahrhaftiger ist, barmherziger und gnädiger. Und der in mir etwas Großes schafft: Die Fähigkeit zu lieben, aufzustehen und immer wieder weiter zu gehen. Nicht in geduckter Haltung und voller Selbstverdammnis. Sondern als jemand, der sich geliebt weiss.

Neben dem umbarmherzigen Blick auf das, was nicht gut ist folgt ein dankbarer Blick auf die Situationen, in denen ich vielleicht gute Spuren hinterlasse habe. Wo ich einen Schritt beiseite trete und Gott machen lasse, da wo ich innehalte und anderen Menschen den Vortritt gebe. Da wo Freundlichkeit das letzte Wort hat. Da wo ich abwarten kann und vergebe. Da wo ich nicht Maß aller Dinge sein muss.

Und dann will ich sehen, dass nicht mein Versagen meinen Wert bestimmt und auch nicht die vermeintlich guten Taten. Sondern, dass Gott mich kennt und liebt, und dass selbst meine Fehler IHN nicht vom Thron werfen. Ich darf Lernende sein in dieser Welt, ich darf wie ein Kind an der Hand seines Papas alles versuchen, ausprobieren, verschönern, wieder aufstehen, bekennen und in allem gewiss sein, dass die Welt nicht von mir abhängt und dass Gott trotzdem durch mich ein Stück seines Königreichs baut.

Kratzer an Autos können repariert werden.
Irgendwann werde ich diesem Ereignis barmherziger gegenüberstehen.
Und doch will ich eine Lernende bleiben. In all den Situationen, in die Gott mich stellt. Ich möchte nie glauben, dass ich alles begriffen habe – sondern immer auf dem Weg bleiben. Ganz nah an meinem Schöpfer.

Am Ende meines Lebens werde ich vielleicht mit aufgeschürften Knien, Wunden, Narben und Verletzungen an der Tür des Himmels knien. Und Gott wird einfach „Willkommen zu Hause“ sagen und mich in die Arme nehmen. Eine ganze Ewigkeit lang.