Papa

Und so findet Trauer ihren Weg.
Sie platzt hinein in die unmöglichsten Momente,
sie wirbelt mich auf,
macht mich wütend,
reißt Tränenkanäle auf und lässt mich alleine zurück.
Sie ist mächtig und grausam.
Mal wimmert sie leise,
mal schreit sie laut wie das tosende Meer.

Und bei all dem sagt sie leise verächtlich:
Ach man: „Hätte“! „Wäre“ und „Wenn“!
Sie erinnert mich an „nicht gesagtes“ und „nicht unternommenes“.
sie frisst von innen. Erbarmungslos, schwer.

Trauer scheint irgendwie unbändig,
und wenn es nur sie gäbe,
wäre die Menschheit nach all ihrem Leid wohl nicht mehr. 

Doch dann kommt die Liebe und mischt sich ein:
Sie gebietet der Trauer kurz Einhalt in ihrem grausamen Treiben,
umarmt die Seele und öffnet das Herz für Erinnerung,
an das was gut war.
Die Liebe erzählt dein Leben,

Sie erzählt sie so gut und barmherzig.
Sie sagt bei Schwerem: Es ist ok!
Und bei allem schönen: Weisst du noch?
Die Liebe legt einen warmen Mantel um kalte Herzen,
Sie gibt wahren Trost.

Den Abschied von dir, Papa
den nehme ich heute nicht zum ersten Mal,
den nahm ich schon leise und trauernd
Als die Krankheit dir mehr und mehr die Würde stahl.
In den Zeiten, in denen du mir soviel gutes sagen wolltest –
Und es nicht mehr konntest.
In den Zeiten, in denen ich nur noch deine Hand halten konnte.
In denen ich da saß und dir beim Schlafen zusah.
In den Zeiten unseres persönlichen gemeinsamen Gottesdienstes,
Wo der Himmel uns seine Melodie vorspielte.

Wo du nicht mehr stark sein konntest,
Wo ich dich tragen musste, und du nicht mehr mich.

In vielem waren wir uns ähnlich:
Die Liebe zu Cappuccino und festen „Kaffeezeiten“,
das habe ich von dir. Das liebe ich noch heute.
Die Begeisterung fürs Filmen.
Dieses Festhalten von bewegten Bildern.
Viel aus meiner Kindheit ist mir noch präsent, weil du es festgehalten hast.
Sachen sortieren und ordnen – auch von dir!
Die Liebe für Jesus und seine Gemeinde -das wertvollste was wir teilten. 

Dein analytisches Denken und dein Verständnis für Mathematik und Physik – naja gut, das wohl eher nicht.
Während du mir in meinen Teenagerjahren geduldig und mühevoll Formeln erklären wolltest,
schmiss ich die Mathebücher durch den Raum.

Viele Menschen teilen wundervolle, lustige und wertvolle Momente mit dir!
Und die Liebe wird diese Erinnerungen bewahren.

Wir werden diese Erinnerungen von Zeit zu Zeit hervorkramen
und sagen: Ach weisst du noch?!
Und dann wünsche ich uns Menschen, die immer noch zuhören,
Die in Liebe zuhören und mit uns Fotoalben wälzen,

Die uns auch annehmen wenn das Bedauern hochkommt,
dass wir nicht noch mehr Erinnerungen schaffen konnten,
dass du so früh gingst und nicht bleiben konntest.

Ich wünsche dir, Papa,
dass du heute mit den Engeln tanzt,
dass du und Jesus gemeinsam über mathematische Formeln philosophiert,
z.B. wie wohl Gott diese Welt geschaffen hat.
Und, dass ihr zusammen lacht und die Ewigkeit gemeinsam feiert.

Danke, dass du hier warst – danke für dich bei uns.