I am sorry!

Heute war ich mal wieder im Supermarkt einkaufen. So ganz ohne Maske. 
Es gab Mehl – aber ich brauchte grad keins, also ließ ich es links liegen und vertraute, dass ich auch weiterhin versorgt bleiben würde.

Ich ging an den vollen Regalen vorbei.
„Was ein Überfluss“, bemerkte ich still bei mir.
Um mich herum trugen alle Maske und ich fühlte mich irgendwie fehl am Platz. So als würde ich gerade etwas sehr sehr schlimmes tun. 2 Jahre Maskentragen hinterlässt also Spuren und, wenn es nur ein ungutes Gefühl ist. Ich wollte es einfach mal aushalten.
Nachdem ich vor kurzem noch mit Corona infiziert und in Quarantäne saß, wollte ich auch hier wieder nicht Angst meinen Ratgeber sein lassen. Ich wollte einfach frei atmen und die letzten Sachen einkaufen, die auf der Liste standen.

Ich schlenderte gerade so an der Kühltheke vorbei als ich zwei Frauen, die wohl so in meinem Alter waren, miteinander schwatzen hörte. Ich lächelte, einfach weil heute ein guter Tag war, einfach weil ich immer wieder feststellen konnte, wie gut es mir ging. Ich kam gerade von der Arbeit und hatte auch das genossen: Dieses „Aufgaben erledigen“ und mit Menschen zusammen sein. Geschafft hatte ich mal wieder nicht alles. Aber es gab ja noch mehr Tage zum Erledigen all meiner Aufgaben.

Die beiden Frauen an der Kühltheke erwiderten mein Lächeln und sprachen mich an.
Ich verstand kein Wort.
Es war eine fremde Sprache, die ich nicht so ganz zuordnen konnte.
Ich schüttelte etwas hilflos den Kopf:“ Sorry, I don´t understand you.“
Die beiden Frauen lachten. „Oh, oh…Sorry.
Ich sah wohl wie eine Landsfrau von ihnen aus. Ich mit meinem blonden Haar – so wie sie. Mit meiner westlichen Kleidung – so wie sie.

Ich gab aber noch nicht ganz auf.
„Where are you from,“ fragte ich weiter.
„Ukraine!“ Antwortete die eine.
„Welcome to Germany,“ brachte ich nur hervor. In Gedanken schlug ich mir mal gekonnt vor die Stirn. Was anderes als „Welcome“ hätte mir ja schon einfallen können, irgendwas Sinnstiftendes. Dieses „Welcome“ schien so abgedroschen.
Wir versuchten weiter miteinander zu reden. Aber leider klappte die Verständigung auch in englischer Sprache nicht.
Mit dem Smartphoneübersetzer fand ich heraus, dass eine auf die Toilette musste. Aber nun gut. In diesem Laden gab es keine Kundentoilette, wie ein Angestellter uns sagte. Und nun ja, wir waren in Dabringhausen und da gab es im Umkreis auch keine.
„Sorry!“ Meinte ich nur wieder zu ihnen. Und das meinte ich auch ziemlich ernst. Wie blöd ist es, wenn man in einem Lebensmittelladen steht und eigentlich auf die Toilette muss. Das kenn ich ja von mir selber. Das ist unangenehm.
Ich fragte weiter, wo sie herkämen?
Sie antworteten mir, wo sie hier in Deutschland untergekommen waren.
Gute Kommunikation sieht wohl anders aus. Aber eigentlich war es auch egal. Denn sie musste auf die Toilette und wir standen im Supermarkt. Aber leider konnte ich nicht helfen und so shoppten wir alle weiter.

Als ich eingekauft, bezahlt und auf dem Parkplatz angekommen war und meine Einkäufe ins Auto geladen hatte, sah ich wie beide Frauen Richtung Hauptstraße verschwanden und stieg selbst in mein Auto ein.

Als ich zur Hauptstraße fuhr, bemerkte ich beide erneut – an der Bushaltestelle. Naja, was vielleicht noch blöder ist als in einem Supermarkt auf die Toilette zu müssen, ist es in Dabringhausen an der Bushaltestelle zu sitzen und auf den Bus zu warten, während man mal dringend aufs Klo muss…. Naja, es ist halt auch Dabringhausen. Hier bin ich aufgewachsen und ich weiss definitiv, dass die Busse hier nicht im 10 Minutentakt kommen. Also hielt ich an und bot an, sie mitsamt den Einkäufen nach Hause zu fahren.

Das war kein Ding für mich. Ich hatte Zeit, meine Kinder waren bei Oma und es lag auch noch auf meinem Weg.

Beide freuten sich, wir verstauten die Einkaufstüten im Kofferraum und fuhren los. Auf dem kurzen Weg zu ihrer Unterkunft versuchten wir uns erneut zu unterhalten. Tja, wir sind halt Frauen – Worte gehen immer irgendwie. Ich stellte eine Frage und bekam eine Antwort, die nicht auf meine Frage passte. Irgendwie fand ich heraus, dass beide Kinder hatten, die in dem Alter meiner eigenen Kinder waren. Schon das verbindet uns Frauen….

Als wir schon auf den Parkplatz vor ihrer Unterkunft ankamen, fragte ich noch mal, wo sie denn in der Ukraine eigentlich lebten. Wieder verstanden wir uns nicht.
Dann nannte ich einige Städte, die ich ja nun Dank der Nachrichten (und nicht wegen meinem überragendem geografischen Wissen) kannte:
Kiew? Odessa?
„Kiew!“ Meinte die eine und war froh, dass wir uns wieder verstanden.
Die andere Frau, die hinten saß, beugte sich vor und meinte nur: „Butscha!“
Schon allein bei diesem Ortsnamen lief es mir kurz kalt den Rücken runter. All dieses Leid, was sich mit dem Namen dieses Ortes verband kroch geradewegs in mein Herz. Butscha, eine Kleinstadt (vielleicht) mit Herz wie Wermelskirchen. Butscha mit seinen 35.500 Einwohnern und Wermelskirchen mit seinen 34.500. Vielleicht war es besonders, vielleicht hatte es mal Charme und Leben und Feste. Momentan war es nur ein Synonym für unfassbare Kriegsverbrechen
„Oh, I am so sorry!“ – stammelte ich nur.
Ich kam mir wieder etwas fehl am Platz vor. Ach wie gerne würde ich mich mit ihnen unterhalten können.
„Yes, it is so bad,“ meinte die Frau nur. Sie versuchte noch zu erklären, dass ihr Bruder bei der Army war. Weiter konnten wir nicht sprechen. Weiter reichten unsere Worte nicht. Ich wollte auch nicht mehr fragen. Es schien mir unangebracht. Und so sagte ich nur wieder: „I am sorry!“
Angekommen half ich ihnen die Einkäufe aus dem Auto zu laden. Sie bedankten sich überschwänglich und herzlich und gingen.

Ich hatte noch nicht mal nach ihren Namen gefragt. 

„Vielleicht können wir den großen Lauf der Welt nicht ändern,
Doch tun wir es doch wo wir grad sind.
Wir können gute Worte sprechen,
Lieben und den anderen tragen!“
manchmal

Manchmal, wenn ich selbst das Gefühl habe, dass ich gar nicht so viel tun kann, wie es andere gerade machen, bete ich immer:
Gott gib mir doch Möglichkeit. Lass mich doch einfach für jemand anderen ein Segen sein. Ich weiss grad nicht wie, aber mach du doch bitte!

Es hat mich nichts gekostet, was ich heute tat.
Viele Menschen um mich herum leisten gerade so viel unglaubliches und ich ziehe meinen Hut davor. Ich möchte aufmerksam bleiben und da in dem Moment präsent sein, wo ich es kann.

Vielleicht indem ich jemanden willkommen heisse, den Weg zur Toilette nach Hause was verkürze 😉 oder einfach nur trotz fehlender Worte sage:
I am sorry, es tut mir leid!

Liebes 2021

An diesem letzten gemeinsamen Tag möchte ich dir noch ein paar Zeilen schreiben, bevor wir uns von einander verabschieden.

Ich weiß, wir hatten keinen guten Start. Normalerweise hätten wir mit tollen gemeinsamen Vorsätzen gestartet- so am 01. Januar. Wie das in all den Jahren zuvor auch war. Aber wir beide begannen im Lockdown, im stillen wahnsinnig werden. Wir beide hätten Vorfreude haben können- denn 365 Tage lagen ja eigentlich wie ein weißes Blatt vor uns. Bereit von uns beschrieben zu werden. Doch da hatte das Vorjahr schon Zuviel drauf herum gekritzelt. So völlig gegen die Regeln.

Und so konntest du mir erst mal nicht viel bieten. Du konntest mir nur sehr viel VERbieten und mich klein halten. Normalerweise gibst du in unserer „Beziehung“ immer den Ton an. Du bietest mir Aktion und Ziele, Dinge, auf die ich mich freuen kann. Du bemalst meinen Kalender mit schönen Farben. Doch 2021: Du fandest die schönen Farben nicht. 

Und als die Tage so dahin gingen, merkte ich: Du würdest dieses Jahr nicht vorbereiten. Ich musste selber wagen. Viel mehr als sonst. Ich musste selber den Schatz dieses Jahres finden, selber danach buddeln und neues wagen. Einfach nur, damit du und ich nicht verloren gingen. Ich hätte dich von Anfang an aufgeben können. Es hätten viele verstanden. 

Doch ich wollte, dass du besonders wirst. Und so habe ich die Buntstifte ausgepackt und habe losgemalt.

Es wurde mein eigenes Bild von dir und mir. 

Auf vielen Bildern gab es das hässliche Grau. Ich wollte diese Farbe nicht, denn normal ist eine Sache schwarz oder weiß. Eine Grauzone wird nicht empfohlen, aber ich malte sie dennoch oft in diesem Jahr. 

Ich hätte mehr Abstand halten sollen um die Gesundheit zu schützen, stattdessen nahm ich Menschen in die Arme, machte alles was irgendwie noch erlaubt war, hörte Menschen mit komischen Ansichten zu und versuchte zu verstehen, ersetzte Regeln durch meinen eigenen unvollkommenen Menschenverstand, malte so viel grau auf die Leinwand, weil ich vieles nicht mehr verstand.

Dann malte ich grün auf die Leinwand: die Farbe der Hoffnung. Ich sähte sie aus in meinen Texten, in Gesprächen und dem Zuhören. Ich legte Hoffnungsgrün in Kinderherzen und sprach immer: Alles wird gut! Ich half Wunden zu heilen und hoffte, dass die Mühe es wert war. Dass genug war was ich tat.

Dann malte ich gelb, weil die Welt so dunkel war. Ich tanzte zu Karnevalsmusik im einsamen Büro, fuhr mit Kamelle im Auto durch unsere Straßen und veranstaltete meine eigene persönliche Karnevalsparty, während vereinzelte Kinder am Straßenrand standen und mit mir den Augenblick feierten.

Du 2021 standest immer daneben und hast den Kopf geschüttelt und leise geschmunzelt, ich war es, die dich gestaltet hat. Du hast leise mitgewippt als ich auf die Bühnen stieg und sprach und reiste in fremde Städte und Länder. Auch wenn du meintest: Das wär jetzt nicht dran.

Oh man 2021. du warst so ängstlich, so vorsichtig. Du und ich wir waren ein ziemlich unglaublich ungleiches Paar.

Aber weißt du was. Das ist okay! So ist das manchmal in Beziehung. Manchmal muss einer von beiden mehr tun und manchmal sind die Rollen ganz anders verteilt. 

Am Ende war das Bild aber auch an vielen Stellen tief schwarz. Das war der Moment meiner inneren Wut, die ich dir entgegenschleuderte wegen all diesem „es geht nicht“, „es darf nicht sein“, „abgesagt“ oder „in Quarantäne gepackt“, „Postive Tests“, „long COVID“…

Schwarz malt sich einfach und manchmal wollte ich alles schwärzen. Dann bin ich noch im letzten Moment mit dem schwarzen Pinsel in der Hand einen Schritt zurück getreten und bin auf die Knie gefallen. Nicht weil ich beten wollte, sondern weil ich so traurig und mutlos war. Da hat mir dann jemand den Pinsel aus der Hand genommen und die Hand auf meine Schulter gelegt und mir leise zugeraunt: Es ist okay!

Nach ein paar Minuten schaute ich erneut auf die Leinwand und sah:

Jemand hatte die Farbe rot gewählt, ganz filigran füllte diese letzte Farbe den Rest der Leinwand und vollendete dieses Jahr. Es war die Liebe. So wunderschön! 

Selbst mein schwarz war willkommen neben all den anderen Farben. Die Farbe Rot zog sich durch diese komischen 12 Monate. Mal war sie kräftig, mal ganz zart. Sie war Bewahrung und Mut, Zuversicht und Kraft. Es machte dieses Jahr wirklich besonders.

Liebes 2021, es wäre falsch zu sagen: Du warst es nicht wert oder du bist zum Vergessen. Du bist doch einfach nur ein Jahr wie jedes andere. Nur hat diesmal jemand deine Leinwand besuddelt. Aber du warst farbenfroh und tieftraurig, du warst lähmend und hoffnungsbringend. Ich sage dir: Lebewohl! 

Das nächste Jahr 2022 gibt mir erneut den Pinsel in die Hand. Vielleicht bietet es mir mehr, vielleicht ist es lähmend wie du. Aber ich darf noch die Farben wählen und die Wand gestalten und am Ende hoffen auf jemanden der mir in den traurigen Stunden den Pinsel aus der Hand nimmt und weiter malt und mir dabei zusichert: Ich bin und bleibe da für dich! Du bist nicht allein!!

Staunen

Ich muss sagen: Ich staune gerne. Mich fasziniert dieses Leben. Okay, manchmal macht es mich auch ziemlich wütend – aber meist staune ich und bin überrascht, was das in mir verändert. Ich staune über mich selber: Wer ich heute bin und wo ich heute stehe, was für Menschen ich kenne und was ich erreicht habe. Ich staune über Fähigkeiten, die ich einfach so habe, ohne je etwas dafür getan zu haben. Ich staune darüber, dass ich mich trotzdem so oft klein rede, obwohl ich manches kann was so kein anderer macht. Ich staune über die Tatsache, dass ich Menschen um mich habe, die mich nehmen wie ich bin. Über die Liebe meiner Kinder, die so. bedingungslos ist, dass sie mir irgendwie alles verzeiht. Dass ihnen meine Gegenwart in ihrer Welt der größte Schatz zu sein scheint. Ich staune, denn das rührt mich zu Tränen. 

Ich staune, wozu wir Menschen fähig sind. Manchmal wenn es nicht zum Staunen reicht, dann erschrickt es mich auch und macht mich traurig, denn wir tun so viel dummes Zeug. Aber neben dem, dass wir zerstören und klein machen und vernichten und töten, können Menschen auch wundervolle Dinge erschaffen, Mut machen, Leben erleichtern, Hoffnung schenken und Glauben neu sähen. Freunde sein und in die Arme nehmen, den eigenen Horizont erweitern durch ihre Sicht auf diese Welt. Ich staune, dass ich so viele gute Menschen kenne. Manche nur als entfernte Bekannte, die ich nur selten sehe, manche so nah und erfrischend, ehrlich und nahbar. Wow! Ich komme schon wieder ins Staunen.

Da sind Momente, wo meine Seele vom Himmel geküsst wird, Menschen die warten, ausharren und seid Jahren für mich beten. Menschen, ohne die ich nicht wäre, wer ich bin. Auch die, die ich traf und die mich und meinen Weg nicht verstanden, die ohne Glauben an mich, die welche Macht ausnutzten. Auch sie prägten meinen Weg. Auch durch sie bin ich heut, wer ich bin.

Staunen! Über Schönheit des Lebens, Natur, Musik und gesprochenes Wort, Menschen, die anhalten und warten auf mich und mein Tempo. Menschen die einfach mal sagen: Ich weiß! 

Ich glaub, wenn ich mehr staune als zu klagen, wenn ich mehr hoffe als zu verzagen, dann ist mein Leben heller auch mit den dunklen Flecken, dann sehe ich Licht auch wenn’s scheinbar nur dunkel ist. Ich staune über Kleinigkeiten und mache sie so groß in meinem Leben. Ich erschaffe die Welt um mich herum in mehr bunten Farben. Halte den Blick auf das gute gerichtet und es scheint als gäbe das Kraft auch für die traurigen Momente. Dann wenn der Himmel Dunkels verheisst, wenn Menschen enttäuschen und Freiheit so weit weg zu sein scheint. 

Ich will dran bleiben zu staunen! Dann ist das klagen nicht mehr so interessant, denn das Staunen braucht mich und meine Kraft. Dann erhebe ich den Blick und lächele über selbstverständlich schönes. Ein wenig mehr staunen- das will ich!

Out of the cave

Kennt ihr den Comedian „Chris Tall“?
Ich erinner mich gut an einen seiner Auftritte mit dem Titel „Darf er das?“. All seine Sprüche und Annekdoten waren ziemlich nah an dem was man einfach so nicht sagen sollte. Sie waren frech, arrogant und ziemlich dreist.
Immer wieder fragte er sein Publikum: Darf er das?
Darf er dieses sagen und jenes verhöhnen. Ich weiss gar nicht mehr im Detail, worüber er sprach, aber diese Frage: „Darf er das?“ Tja, das blieb bei mir hängen.

Als ich aus der kleinen persönlichen Höhle namens Pandemie- Lockdown kroch, fragte ich mich genau diese Frage in leicht abgewandter Form: Darf ich das? Dürfen wir das?

Donnerstag vergangener Woche gab es vor dem Rathaus in unserem kleinen Wermelskirchen den ersten Feierabendmarkt, der mich ein wenig an Normalität erinnerte. Es gab Livemusik, seit gefühlter Ewigkeit wieder. Menschen um mich herum, die sich unterhielten, Essen und Getränke kauften und sich gegenseitig wieder sahen. Als ich ankam und mich die ersten Bekannten ansprachen und ich mich so langsam im Smalltalk wiederfand, tanzte diese oben erwähnte Frage durch meinen Kopf: Darf sie das? Darf ich das?

Das dynamische Duo – Feierabendmarkt in Wermelskirchen https://www.das-dynamische-duo.de/news.php

Es war so unwirklich. Alle dieses Menschen um mich herum, all diese Normalität. War das jetzt ok, fragte ich mich?

Dabei war ich ja gar nicht so wahnsinnig lange von der Bildfläche verschwunden, hatte Freunde und Familie gesehen und immer alles irgendwie gemacht, was halt irgendwie ging und erlaubt war. Nicht, dass ich die Pandemie ansich in Frage stellte, nicht dass ich nicht mitbekam, was Bekannten mit diesem Kackvirus passierte. Trotz allem war mir neben der zu schützenden Gesundheit von Leib und Leben immer auch die psychische Gesundheit wichtig. Das war schon zu Beginn der Pandemie klar. Ohne Umarmung, ohne ein Miteinander, ohne Kultur, ohne Menschen – das war noch nie eine Option für mich. Und trotzdem verschwand auch ich in meiner Höhle, war irgendwie weg vom Fenster und trauerte dabei all dem nach was ich ebenfalls als relevant für mich und meine Welt empfand.
Ich war im vergangenen Jahr kreativ, also nicht an den Stellen wo ich es unbedingt sein wollte, sondern darin Leben zu führen trotz der Gefahr, Alltag für meine Kinder zu gestalten wo auch immer noch andere Menschen Platz fanden. Nur, wenn es unbedingt nötig war, nutzte ich Zoom. Ich wehre mich noch jetzt dagegen. War zwei mal fast selbst in Quarantäne und erlebte die Quarantäne meiner Tochter hautnah mit. Wir sind immer sehr verschont geblieben vom Virus – aber die Nebenwirkungen trafen auch uns meist hart. Ausfall der gesamten Projekte im Ehrenamt, Wegfall aller Einkünfte durch Veranstaltungen, immer wieder Umplanen, neu planen und am Ende absagen. Tränen und Fragen der Kinder aushalten, Facebook aushalten, andere stehen lassen können mit ihrer Meinung und ehrlich einander verstehen wollen. – Das hat geschlaucht, das hat müde gemacht.

Und dann geht alles gefühlt wieder los. Plötzlich geht die Welt wieder auf, öffnen sich die Tore und ich singe mit Anna von „Elsa, Eiskönigin“ das trotzige und fröhliche Lied „Zum ersten Mal seid Ewigkeiten wird Musik spielen in den Hallen, und zum ersten Mal seid langem, werd ich tanzen durch den Saal. Wachen öffnet nun das Tor!“

Und die Wachen öffnen die Tore und die Menschen strömen heraus und reissen mich mit. Und während ich daher taumel, raune ich den Menschen zu: Darf er das, darf ich das? In völliger Überforderung vor soviel unsicherer Freiheit. Trotz Impfung, trotz niedriger Zahlen. So schnell komme ich dann doch nicht mit.

Während draussen die Masken und Testpflicht wegfällt, trägt mein Schulkind und alle anderen in der Schule im Unterricht über ewig lange Zeit Masken und sie werden 2 x die Woche getestet. Unfassbar was an manchen Stellen geht, und an anderen Stellen halt nicht. Das muss ich aushalten und wieder zuhause vermitteln, trösten und auffangen. Nicht überall gehen die Tore für alle gleich auf. Das macht wütend – und dennoch ändert diese Wut nicht, sie lähmt nur.

An anderer Stelle erlebte ich die Woche dann wieder „offene Tore“:
Seid Monaten planten wir einen „Coronakonformen“ Junggesellinnenabschied für meine Freundin. Am Ende hatten wir auf 6 Personen reduziert und einen kleinen unspektakulären und dennoch gefühlt mehr als illegalen Abend geplant: Nur im Garten, nur mit ein paar Menschen, nur privat, nur zusammen, nur, nur, nur…..

und dann sang Anna, Schwester der Eisprinzessin wieder 🙂 und befahl den Wachen vor wenigen Wochen die Tore zu öffnen und wir planten spontan wieder um: Planwagenfahrt und gemeinsam mit 6 Haushalten essen gehen, gemeinsam unterwegs sein und abends unsere persönliche Livemusik im Garten, weil unser Freund und Musiker sich für uns in den Zug setzte um diesen Specialtag dann doch noch mal ne Ecke „besonderer“ zu machen. Wir haben es einfach gewagt. Die Beschenkten waren wir.

Elto beim Livekonzert im Garten
https://www.eventpeppers.com/de/manuel-elto

Noch die Tage vorher, wäre die Schulklasse meines Sohnes fast in Quarantäne gelandet. Langes Zittern und Zagen und die Angst, dass wir am Ende doch mal wieder gut geplantes hätten absagen müssen.
Auch dass ist Teil der Nebenwirkung von Pandemie, auch das zerrt an den Nerven, auch das macht unruhig und klaut Lebensqualität – vielleicht auch nur meine. Aber ich bin da auch recht subjektiv.

Nach diesem Wochenende bin ich müde, gefühlt könnte ich im Dauermodus schlafen. Mutig sein und Schritte wagen kostet auch immer Energie. Diese Frage: Darf sie das? zehrt noch mehr.

Und dennoch komm ich „out of the cave“, auch wenn es sich manchmal nicht gut anfühlt. Ich will glauben, dass ich das darf. Ich lebe mit dem Risiko, ich bleibe bedacht. Aber ich schau auch immer, was in diesem Leben möglich ist. Und dann beschenkt mich dieses Leben mit wunderbaren Momenten, mit Staunen und Lachen, mit „wieder-singen-dürfen“ mit Freunde treffen und endlosen Gesprächen, die der Seele gut tun.

Ich feiere das Leben, was sollte ich sonst tun? Ich will auch mutig in diese Zukunft gehen und glauben, dass ich eingebettet bin in einen großen Plan. Dass ich nicht heute fertig bin mit meiner Vorstellung vom Leben, sondern immer weiter lernen darf. Ich bin in Gemeinschaft hineingeboren, trage Verantwortung für das was ich tue. Aber ich will ausprobieren, Risiken eingehen in der Gewissheit, dass ich es auch nur bedingt in der Hand habe.

Die Höhle ist sicher aber halt auch ganz schön einsam. Und gegen das Gefühl von Lähmung und Angst, trete ich raus aus meinem Höhleneingang, blicke der Sonne entgegen und wage den Schritt. Erst einen und dann noch einen, dann renn ich, bald tanze ich. Und wenn die Welt wieder mal zumachen will, bin ich bereit noch mal in die Höhle zurückzukehren, aus Respekt und Anstand. Aber bis dahin tanze ich weit draussen.
Darf sie das? Keine Ahnung, aber ich mach es einfach! Einfach mal so. Vielleicht wird es gut!

Hier an unserm Küchentisch

Hochmotiviert sitz ich am Morgen
Homeschooling, das gönn ich mir
Ich kann lesen, ich kann schreiben
Formen, Zahlen läuft bei mir.

Stolz ertrag ich heut mein Kreuze,
Setz mich mit dem Sohne hin
Und ich hoffe und ich bete,
Dass ich heute gnädig bin.

Ganz früh hab ich mich aufgerafft,
alles schon bereit gelegt,
hab mir heute vorgenommen,
Heute, hier wird was bewegt.

Heute will ich bei ihm sitzen,
Nur mein Augenmerk auf ihn,
kein Haushalt, keine anderen Pflichten,
Nur das bisschen Homeschooling

Und dann kommt mein Kind zum Tische,
gar nicht mal so motiviert
und dazu ein Haufen Sachen,
Die uns fröhlich aufdiktiert.

Und was ich will, das will er nicht.
Kein perfektes Homeschooling,
Trotzig wird sich hier gewehrt
Hier an unserm Küchentisch

Gerade noch so motiviert,
Kommt nackte Realität mir nah.
Nach nur wenigen Minuten,
Tränen hier und Motzen da.

Und die Uhr, die Uhr läuft weiter,
hier an unserm Küchentisch
Und die Geduld, die ich erbeten,
War wohl heut nicht abkömmlich.

Ich will ja wirklich meinen Teil tun,
Meinen Teil in dieser Zeit,
Will meinen Platz ganz würdig füllen
Und bin doch nicht ganz bereit.

Nicht jeder Tag ist immer grausam,
Machmal geht es auch fast glatt,
Doch ich kann nur noch mal sagen:
Manchmal habe ich es satt.

Und während ich hier schimpfend sitze,
Abgekämpft, zu nichts bereit
Flüstert eine Kinderstimme:
Mama, du, es tut mir leid.

Und ich schau in Kinderaugen, 
Die nichts können für diese Zeit
Für unser Hadern unser Ringen
Für unseren doch unfairen Streit

Nach einem Jahr der Pandemie 
Ist es dünn mein Nervenkleid
Oft muss ich dabei erkennen,
Ich brauche mehr Gelassenheit.

Das Kinderflüstern noch im Ohr,
Kapitulation fällt nicht mehr schwer
Nimm ich mein Kind in meine Arme 
Heute geht wohl gar nichts mehr.

Manche Menschen könnens besser
Das was ich grad gar nicht kann,
Doch will ich mit mir gnädig bleiben
Und fang einfach nochmal an.

Abtauchen – Auftauchen

Sei tapfer,
Auch, wenn der Schmerz nicht zulassen will,
dass du dich noch einmal erhebst.

Halte aus und glaub daran,
Dass der Schöpfer tatsächlich wusste, was er tat.
Als er dir diese oder jene Gabe gab. 

Sei standhaft,
Auch gegen alle Wellen dieser Welt.
Sei standhaft auch dann,
Wenn jeder um dich herum scheinbar fällt.

Lass nicht zu, dass die Sorge um morgen
Dir deine Kraft fürs heute klaut.

Und wenn die Welt zu viel verlangt,
Und du lieber schreien willst – ja dann
Dann such dir deinen kleinen Himmel auf Erden,

Tauch mal kurz ab und gönn dir
ein Versteck im Kornfeld.

Halte kurz die Luft an und erkenne,
Dass die Welt sich trotzdem weiter dreht.

Neben dem, was getan werden muss,
Gibt es auch vieles, was gelebt werden muss,

Was es aushält, dass du wütend bist,
Dass nicht geht, 
Auch dann wenn du nicht mehr richtig funktionierst.

Sei trotzdem tapfer,
Nur einen kleinen Schritt braucht ´s 
Um nicht stehen zu bleiben.
Nur einmal aufstehen braucht’s
Um nicht den Tag zu verschlafen.
Nur ein Gebet braucht’s, und es wurde zugesagt,
Dass dir der Himmel offen steht.

Und vielleicht kommt im „Gehen“ der Glaube,
Daran, dass nicht vergeblich ist, was wir sind und tun.

Lass uns am Ende Geschichten erzählen,
von dem was war
als nichts mehr ging.
Wenn wir wieder zusammen stehen und die Gläser erheben.
Lass uns neben den Niederlagen auch ein paar Siege bereithalten.
Können ja auch nur ein paar kleine sein.

Lass Hoffnung irgendwie mal was reales werden,
Nicht nur eine verkappte Träumerei von heillosen Spinnern.
Lass uns den Kopf heben, 
Ein wenig waghalsig.

Denn was kann schon passieren,
Als dass die Welt vor Hoffnung explodiert.
Sie hat schon anderes geschafft.

Ich bleib noch was länger als nötig …

Wenn die Welt immer noch ziemlich schief in den Angeln hängt
und sich irgendwie nicht heilen lässt
und ich mitten drin bin – und doch gefühlt so machtlos…
dann will ich das zu meinem täglichen Gebet machen:

Gott, ich glaube aus aller Erfahrung, die ich mit dir in meinem Leben gemacht habe:
DU bist trotzdem noch da.
Mit deinem Segen und deiner Kraft.
DU hebst die Schwachen auf,
DU verbindest Wunden,
DU bist noch da.
DU wirst noch bleiben.
Ganz feste klammere ich mich daran.
So wie gestern wirst DU auch morgen bleiben.
Und wenn ich nichts spüre von deiner Macht,
dräng ich mich noch näher an dein Herz,
werfe ich alles was ich bin und habe vor deinen Thron.
Und manchmal bleibe ich einfach was länger bei dir
als die Zeit und die Pflicht es erlaubt.
Damit ich gestärkt nach vorne gehen kann.
Oder wenigstens den Blick wieder hebe. Gott, erfülle mein Herz mit himmlischer Hoffnung und einer Freude, die kein Umstand nehmen kann. Nahe bei DIR lass ich los die Not diese Welt!! DIR gebe ich ab, was ich mal wieder selber tragen wollte. Gott, ich lass dich mächtig, ich lasse dich Gott in meinem Leben sein- und ich warte ab, was du tust. Ich erwarte, DASS du was tust. Ich will glauben, auch wenn ich jetzt noch nicht alles verstehe!! AMEN 🙏

Shut up and dance with me!

Das ach so soziale Netzwerk “Facebook” erinnerte die Tage an die Live-Musiktour in Wermelskirchen 2019. Ich lag schon im Bett, als mir die Erinnerung angezeigt wurde, und wollte nur schlafen. Aber das Herz konnte nicht. Stattdessen wühlten sich die Gedanken durch meinen Kopf. 
Wir könnten gerade in dieser wirren Zeit ein wenig mehr Musik und Kunst vertragen, ein gemeinsames “Wir schaffen das!”, ein leises “Wird schon wieder!” oder ein einfaches “Shout up and dance with me!”

Und doch ist gerade das, was der Seele vielleicht gut tun würde, ziemlich weit entfernt. Aber vermissen darf man, dachte ich. 
Gerne teile ich hier ein paar Gedanken dazu:

„Und so freuten wir uns auf Selbstverständliches,
Nicht wirklich Nötiges,
Nicht Lebenserhaltendes
Und doch so Willkommenes 
In unserer kleinen Welt!

Wenn das Können von Kunst 
Und das Klingen von Klängen 
und das Lachen von Freunden 
und das einfach zusammen sein wollen,
mal wieder den Atem kurz nimmt. 
Und du merkst es erst dann,
Wenn du es nicht mehr hast 
Weil vernünftiges Leben Vorsicht gebietet.
Aber halt keinen Leichtsinn…
Nur Vorsicht und Argwohn und Denken:
Was wäre denn, wenn…

Und das Verkopfte in mir klopft laut an die Tür und sagt:
Vorsicht geboten!!!
Und Leichsinn verboten!!!
Und ich Schweig. 
Denn der Kopf nickt bedächtig und andere schütteln ihn verächtlich
Vor meinem Wollen und Motzen
Vom heimlichen Dahinrotzen
all dem, was das Herz leise will.
Von Schunkeln und Taumeln
Von Küssen und Staunen 
Von der Welt, die ich liebe 
Von Gedanken, die bleiben 
Vom nicht anhalten wollen 
und nicht loslassen wollen.

Die Klänge berühren den Kopf nur von weitem,
Sie schaffen es nicht,
Mit ihm zu streiten.
Sie verklingen und verstummen an seiner Vorsicht,
Sie verkümmern und sterben
Ganz heimlich, allmählich.

Und wo wir doch so gerne Leben retten wollen in dieser Zeit,
Ich und die anderen 
Die Kleinen und Großen. 
Die, die es doch wissen 
Mit einer Armee von Wissenden im Rücken…
Die mehr wissen um Leben zu schützen 
Als ich, die ich nur die Klänge vermisse 
Und, dass Herzen aneinander reiben
Das gemeinsame bleiben 
Dass Sorgen vertreiben.

Die Klänge, die Herzen heilen 
und Menschen vereinen.
Sie sind nicht lebenserhaltend- nur lebensverändernd,
Sie sind nur kurz einmal da
Und erhellen die Welt Für alle,
Für Vorsichtige und Verkopfte,
Für Freiheitssuchende
Und Kämpfer 
Für alle, die aufgeben und die,
Die es einfach nicht sein lassen wollen 

Und die Klänge, sie klingen 
Auch wenn wir sie nicht lassen,
Sie sind bockig und rufen sich auf unsern Plan.
Sie sind auch dann da und erinnern 
An vergangene Tage
wenn grad keine Zeit ist Für Melancholie.
Die sich nicht darum battlen
Vorsicht zu bieten und vernünftig zu sein.

Wenn die Klänge wieder klingen 
Will ich stehen ganz vorne,
will schief singen und einfach albern sein.
Ich werde tanzen, umarmen 
ohne ängstlich vorahnen
und Die Welt in meinen Händen tragen.

Nächstes Jahr 
klingen gemeinsame Klänge hoffentlich wieder
Dann singt die Hoffnung allein ihre Lieder.
Und dann will ich nicht vergessen:
Klänge sind nicht nur lebenserhaltend sondern lebensverändernd.